B(L)OGBUCHEINTRAG, CAPTAIN JÈROME, HERBST 2019
Ich komme nach beruflich bedingtem, wochenlangem Aufenthalt im Ausland mit dem PKW zurück nach Deutschland. Nach über tausend Kilometern klebt kein Insekt an der Windschutzscheibe. Ich erschrecke über diese unsichtbare Schrift und ihre Verkündung großer Gefahr und Not direkt vor meinen Augen auf der Mauer meiner eigenen geistigen Ignoranz und Bequemlichkeit eines im Wohlstand aufgewachsenen Nachkriegskindes. Mit dem „Kopf durch die Wand“ und „Weiter so“ oder Verleugnung der diesbezüglichen UNO – Klimaberichte käme kollektivem Selbstmord gleich.
„In großer Gefahr und Not bringen Opportunismus und Unentschiedenheit den Tod.“ Ist das Ideologie oder die Weisheit einst bedrohter Völker und der Stimmen ihrer Toten und unserer Ahnen hier und jetzt?
Um Klarheit zu erlangen gehe ich in den Wald. Der Wald ist nicht mehr da, so wie er noch vor meiner Abreise im Frühsommer war. Ganze Fichtenbestände mitten im Sommer abgeholzt. Zuviel Hitze, trockene Böden, keine Harzproduktion zur Abwehr von Borkenkäfern, tot. Andere Nadelbaumbestände stehen erstarrt wie eine Sammlung makaberer Totemphäle, einem Menetekel des nahenden Untergangs gleich, nackt in der lautlosen Schlacht. Auch Buchen sind schon betroffen und so mancher Laubbaum fällt aufgrund der ausgedorrten Bodenqualität beim nächsten Sturm oder von zu viel Wasser, dass nicht versickern kann, ganz einfach um.
Und dann diese, wie übersäuerte Baumleichen von Innen ausgehöhlten und schlecht gelaunten Gesichter im Heimatland, die offensichtlich auch bald 75 Jahre nach dem Holocaust ein Gefühlsleben, Lebendigkeit, Liebe und Lebensfreude für eine ansteckende Krankheit halten und sich in noch mehr Arbeiten, Funktionieren, Vergnügungswahn, asoziale Netzwerke und Verschwörungstheorien fliehen. An schlechten Tagen fühlt sich Deutschland an wie eine steuerlose, völlig entfesselte Geisterbahn-Kirmes-Maschine, die auf Hochtouren läuft und läuft und läuft, statt Benzin ausschließlich Lebenszeit und Seelen frisst und bei beachtlicher Geräuschentwicklung durch analoge und digitale Maul-Diarrhö nicht vom Fleck kommt vor lauter mentalem Speck!
Wie soll man der großen Koalition denn ernsthaft einen Vorwurf für Ihr Alibi – Klimapaket machen, wenn gerade unsere Generation der Nachkriegs – „Babyboomer – Jahrgänge“, die ihre Großeltern und Eltern nach dem Krieg durch ihr Streben nach Wohlstand, Status und Besitz entlasten wollte, offensichtlich zu saturiert ist um in ihrer sozialen „Blase“ den Zusammenhang zwischen eskalierenden Temperatur-, Wetter- und Klimaveränderungen und dem eigenen Lebensstil wahrnehmen zu können? „Materialismus, Hedonismus, Nihilismus, Politikverdrossenheit und die große postmoderne „Wertekrise“? Das sind doch wir! Das ist doch unsere DNA! Wir haben es doch nur gut gemeint und ein ganzes Leben gearbeitet und diesen Lebensstil will man uns jetzt wegnehmen?“
„Was sagt denn diese Dingens da, diese Gertrud, Gerda oder wie die heißt Karl Heinz, was sagt denn diese, ach ja, Greta dazu?“ (Zitat meiner unbekannten Tante)
Falls Ihr zu den Menschen gehört, die bisher auch nur über Dritte von der Rede von Greta Thunberg vor der UNO gehört haben, ihr selbst die Rede aber noch nicht gehört habt, nehmt Euch doch bitte dafür 4 Minuten Zeit:
https://youtu.be/ZjeEjhH7V8w
Mit meinen Ohren gehört, sagt mir diese Rede und ihre anschließende Rezension in den Medien Folgendes:
- Ich selbst habe mir „Gretas Rede“ auch erst zum 1. Mal am 11. Oktober angeschaut. Seit dem 24. September hatte ich zuvor aber schon zahllose Rezensionen analoger und digitaler Medien über diese Rede gelesen. Darin wurde von Tag zu Tag häufiger und von immer mehr Journalisten ihr Vortrag vor der UNO – Vollversammlung nur noch als „Wutrede“ etikettiert und abqualifiziert. Der Subtext, der dann in den folgenden Artikeln oft auch offen ausgesprochen wurde, lautete: „Sie zeigt Wut! Sie ist emotional! Sie ist ja auch noch jung! Das kann ja mal passieren, geht aber unter uns Erwachsenen gar nicht! Das ist ja süß, sie sollte sich aber mehr unter Kontrolle haben. Sonst wird sie ja richtig böse! Vielleicht hängt das ja doch mit ihrem Autismus zusammen! Das kommt davon wenn man Kindern eine zu große Bühne gibt. Die soll erstmal studieren bevor sie mitreden kann. Und ihre Familie verdient auch noch Geld mit ihr! Also so richtig glaubwürdig ist sie für uns Erwachsene jetzt nicht mehr. Schade, war so eine entlastende und niedliche Projektionsfläche für mich!“Ich habe durch meine akademischen, philosophischen und spirituellen Lehrer gelernt, dass es vor allem die innere Absicht ist, die einer Handlung ihre jeweilige Qualität
verleiht. „Wut“ ist bekanntlich tatsächlich eine der menschlich Grundgefühle und kann sich durch entsprechende Umstände und Absichten durchaus sehr schädigend, zerstörerisch und „böse“ auswirken.Die „Wut“ von Greta Thunberg erscheint mir aber nicht absichtsvoll böse, zerstörerisch und gewalttätig orchestriert zu sein, sondern hört sich für mich wie eine ganz dicke
verdichtete „emotionale Wolke“ verschiedener Gefühle von Hilflosigkeit, Ohnmacht, Wut, Schmerz und realer Verzweiflung an: Ein verzweifeltes NEIN einer neuen Generation
zum alten selbstzerstörerischen materialistischen westlichen Lebensstil und ein einziger verzweifelter Hilfeschrei einer sehr jungen und mutigen, kindlich anmutenden Frau, die ihrem Wesen nach bis jetzt ausnahmslos als friedliche und gewaltfreie Kriegerin für das Leben auf der Erde eingetreten ist. Wer da noch von einer „Wutrede“ spricht, hat wohl nicht mit Empathie zugehört, verfehlt das Thema und macht es sich zu leicht! - An diesem Beispiel wird aber auch das viel grundsätzlichere politische, psychologische, kommunikative und ästhetische Problem deutlich, dass wir sehen und täglich mit uns selbst auch emotional und stimmlich neu ausbalancieren müssen: Wie gelingt es, den mutmaßlich für die nächsten Generationen tatsächlich tödlichen Ernst der Dringlichkeit einer galoppierenden Erderhitzung in den Fokus gesellschaftlicher Aufmerksamkeit, politischer Arbeit und als Motivation zur Änderung unseres Lebensstils zu nutzen und mit sinnvollen und realistischen neuen gesellschaftlichen Visionen freudvoll zu verknüpfen?Die kulturelle „Rebellion gegen das Aussterben“ der Menschheit darf „trotz alledem“ auch mit emotionaler Gelassenheit, Besonnenheit, Spaß und Freude am Wettstreit über neue Visionen für Gesellschaft und Menschheit geschehen. Angst vor dem Untergang führt nur zu Hysterie, aber gleichzeitig zeigt uns gerade die deutsche Geschichte schmerzhaft auch: In großer Gefahr und Not bringen Opportunismus und der bequeme Rückzug des Bürgers in das unpolitische Private Untergang und Tod.
Entschiedenheit in der Sache und Gelassenheit, Mitgefühl und Friedfertigkeit im Umgang miteinander wollen täglich situativ neu ausbalanciert werden und sind nur gemeinsam überzeugend und erfolgreich.Als Anregung dazu im Folgenden noch einige Loslasse – Sätze, welche von den TeilnehmerInnen eines Releasing – Supervisions – Seminars im Oktober 2019 erarbeitet wurden.
Viel Spaß damit und weiterhin einen Herbst und Winter voller Mut und Lebensfreude in jedem Alter und in jeder Lebensphase auch ganz neuen Ideen und Visionen für die eigene Lebensführung zu vertrauen.
Ihr und Euer,
Captain Jérome, alias Markus Langholf, Linz am Rhein, Oktober 2019
„Ich lasse los mich ganz allein im Alltag mit dem Thema der Erderhitzung überfordert zu fühlen und deshalb die Veränderungen beim Wetter und in der Natur um mich herum auszublenden.“
„Ich lasse los Unsicherheit und Verwirrung durch widersprüchliche Nachrichten und Informationen
in den Medien über die Ursachen von Erderhitzung, „Klimawandel“ und drohender Klimakatastrophe.“
„Ich lasse los Gefühle der Hilflosigkeit und Ohnmacht nicht beeinflussen zu können, was geschieht.“
„Ich lasse los allen Widerstand mein eigenes Bewusstsein, meine Einstellungen, meinen Lebensstil und damit verknüpfte überkommene ökologisch schädliche Gewohnheiten und Verhaltensweisen zu überprüfen und aufzugeben.“
„Ich lasse los Angst in den Augen zukünftiger Generationen als Versager angesehen zu werden .“
„Ich lasse los die Angst nicht erkennen zu können, wie mein persönlicher Beitrag für eine ökologische Wende und einen kulturellen Bewusstseinswandel aussehen kann.“
„Ich lasse los die Angst, dass die mutigen Seelen der jungen Generation durch ihren Schmerz in emotionales Ungleichgewicht fallen und gewalttätig werden könnten.“
„Ich lasse los meine eigenen Gefühle von Ohnmacht und Wut auf die Trägheit, Ignoranz und Verleugnung seitens Verantwortlicher in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft notwendige Entscheidungen zu treffen.“
„Ich lasse los die Angst, dass demokratische Entscheidungsprozesse nicht ausreichend funktionieren und durch interessierte Kreise (Lobbyismus) korrumpiert werden.“
„Ich lasse los meine eigenen Widerstände zur Entwicklung eines neuen gesamtgesellschaftlichen ökologischen Bewusstseins damit zu rechtfertigen, dass „spirituell“ interessierte Menschen sich nur auf das „Lichte“ fokussieren sollten und weltliche, gesellschaftliche Missstände ignorieren sollten. Ich erkenne, dass ist eine Vermeidungsstrategie des Egos, die fachlich auch als „Spiritual Bypassing“ bekannt ist.
Ich treffe eine neue Entscheidung als eine „lichte Seele“ in einem menschlichen Körper auch 100 Prozent Verantwortung für mein persönliches Verhalten und für die gesellschaftliche Relevanz meines persönlichen Tuns und Lassens zu übernehmen.“
Lieber Markus,
Danke !
Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen.
Danke für die Loslasssätze,
treffend und hilfreich!
Liebe Grüße
Conny Weber